Sekten- und Weltanschauungsfragen
Esoterik

Esoterik

Wahrnehmungen

Unter dem Sammelbegriff Esoterik lässt sich der beherrschende spirituelle Trend unserer Zeit zusammenfassen: Meditationstechniken, die zu Erkenntnis oder gar Erleuchtung führen, alternative Heilungskonzepte, spirituelle Zukunfts- und Lebensberatung. Häufig trifft man auf Begriffe wie „Energie“, „Kraftorte“, „Engel“, „Licht“, „Quanten“, „energetisch“, „innerer Weg“ oder „Erleuchtung“.

Teilweise hat die Esoterik Gestalt gewonnen in organisierten Weltanschauungsgruppen wie z.B. in der Anthroposophie. Populär wurde sie aber seit den 1980er-Jahren in Gestalt von einer Angebots- und Gebrauchsesoterik, deren Angebote alle Lebensbereiche abdecken, von Ernährung und Gesundheit über Lebenshilfe und Pädagogik bis hin zu Wellness und Glück.

Inhalte

Abgeleitet von dem griechischen Wort esoterikós (innerlich, zum inneren Kreis gehörig) verspricht Esoterik auf übersinnlichen Wegen ganzheitliche und erlebbare Spiritualität, Anteil am kosmischen Bewusstsein und höhere Erkenntnisse, umfassende Lebenshilfe und Heilung. Unsere äußerlich wahrnehmbare Wirklichkeit habe noch eine Innenseite, die nicht auf dem üblichen Weg erkennbar sei. Dort finde man das eigentliche Wesen aller Dinge. Es zeige sich in besonderen Momenten, an besonderen Orten oder in eingeweihten Personen. Nur auf intuitivem Weg könne es aufgespürt, erlebt oder gefühlt werden. Der Normalverstand erfasse nur die äußerlichen Aspekte.

Diese Ziele seien erreichbar, da der Mensch im esoterischen Weltbild unbegrenzte Entfaltungsmöglichkeiten habe und in Einklang mit dem Kosmos und seinen Energien gebracht werden könne. Die Anbieter esoterischer Techniken haben zwar selten eine wissenschaftlich fundierte - beispielsweise psychologische - Ausbildung, treten aber mit dem Anspruch auf, den Menschen von Grund auf zu verstehen. Sie berufen sich auf angeblich „uraltes Wissen“ von Druiden, Ägyptern, Schamanen, Kelten oder Indianern und nehmen selektiv Elemente aus asiatischer Religiosität auf.

Die moderne Esoterik versteht sich als eine universalreligiöse Bewegung mit dem Anspruch, die unterschiedlichen konkreten Religionen auf einen gemeinsamen Grund zusammenführen zu können. Dabei werden alle Formen von Rationalität wie auch die traditionellen Formen von Religion mit ihren Dogmen, Bekenntnissen, Ritualen und Texten geringgeschätzt, insofern dies alles nur die äußerliche Ebene erreicht.

Die Ablehnung objektiv nachprüfbarer Fakten schafft auch eine Offenheit für Verschwörungsdenken, wonach diese Wahrheit von den Mächtigen in Gesellschaft, Politik oder Kirchen unter Verschluss gehalten wird. Als ein zunehmender Trend lässt sich eine Verbindung von esoterischem mit völkischem Denken beobachten („braune Esoterik“).

 Wenn das eigentlich elitäre Geheimwissen paradoxerweise einer breiten Masse zugänglich gemacht wurde, dann steht dahinter ein gewandeltes Verständnis von Esoterik: nicht mehr länger ein auf elitäre „innere“ Kreise bezogenes Geheimwissen, sondern eine romantische „Innerlichkeit“ des Menschen, sein Fühlen und Empfinden. Dies macht esoterische Angebote für unsere individualisierte und erlebnisorientierte Gesellschaft hoch attraktiv.

Einschätzungen

Ein Teil der esoterischen Szene knüpft ausdrücklich an das Christentum an. Gemeinsam ist beiden die Suche nach einer erfahrungsbezogenen Spiritualität wie auch der Protest gegen die Dominanz des Rationalen und gegen ein Wirklichkeitsverständnis, das kein Geheimnisvolles mehr kennt. Allerdings führt der Anspruch, ein „höheres“ oder absolutes Wissen zu haben, zu einer Verfremdung zentraler christlicher Elemente, wenn etwa die Geschichte des christlichen Glaubens neu erzählt wird, wenn weitere heilige Texte eingeführt werden, die den christlichen Kanon faktisch entwerten, oder wenn Jesus Christus zu einem „Eingeweihten“ wird, dessen Botschaft eigentlich esoterisch zu verstehen sei.

 

Christlicher Glaube hat sich von seinen Anfängen an gegen einen Dualismus der antiken Gnosis abgegrenzt, nach der die Menschen vor ihrer Geburt Lichtfunken aus einer besseren Welt seien, die sich im finsteren Erdenleben bewähren müssen, um wieder aufzusteigen. Esoterisches Denken greift diesen Ansatz wieder neu auf.

 

Demgegenüber bleibt festzuhalten, dass Gottes- und Heilserkenntnis immer ein Geschenk bleiben, dass ein Gebet ein dialogisches Geschehen ist und kein Verschmelzen mit einem kosmischen Prinzip darstellt und dass Gottes Macht sowie christliche Freiheit und Verantwortung nicht kosmisch oder durch den Kreislauf von Karma und Wiedergeburt festgelegt sind. Das grenzenlos optimistische Menschenbild und das Versprechen grundlegender Erkenntnisse und Erleuchtungserfahrungen sind zurückzuweisen.

Handlungsempfehlungen

Der christliche Glaube ist herausgefordert, seinerseits nach Spuren des Geistes in der Schöpfung zu suchen und Gottes befreiende Gegenwart bis ins Leibliche und Soziale hinein erfahrbar werden zu lassen.  Die in der Esoterik gesuchten und in den Kirchen vernachlässigten Themen religiöse Erfahrung, Meditation, Heilung, Engel oder auch Dämonen sollten biblisch verantwortet zur Sprache kommen. Es kann deutlich werden, dass religiöse Sinnsuche immer ambivalent ist. Religion kann befreien oder unterdrücken, kann heilen oder zerstören.

 

Andreas Hahn / Reinhard Hempelmann  Oliver Koch / Matthias Pöhlmann: Evangelische Orientierungen inmitten weltanschaulicher Vielfalt. Basisinformationen – Argumentationshilfen – Handlungsempfehlungen, hg. im Auftrag der Konferenz der Landeskirchlichen Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), 2020.

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Esoterische Gruppen und Angebote
  • Anthroposophie - Walddorfpädagogik - biodynamischer Landbau
  • Die Christengemeinschaft
  • Astrologie hier
  • Glaube an Engel
  • Spiritismus - Channeling
  • Reinkarnationsvorstellungen im Westen