Sekten- und Weltanschauungsfragen
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Was ist eine "Sekte"?

Religiöser Pluralismusist heute der Normalfall. Diese Vielfalt und Freiheit haben auch ihre Schattenseiten: Menschen erleben, wie sie manipuliert oder unter Druck gesetzt werden bis hin zu Abhängigkeiten von Gruppen oder Anbietern, die absolute Hingabe fordern oder ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen.

Früher wurde für solche Gruppen der Begriff „Sekte“ verwendet. Wer sich aufgrund von Sonderlehren von der Kirche trennte, war „Sektierer“ und wurde bekämpft. Später wurde der Begriff auch auf Gruppen ausgeweitet, die vom gesellschaftlichen Mainstream abwichen.

In der heutigen religiösen Vielfalt erscheint dieser klassische Sektenbegriff untauglich. Wer soll und darf denn bestimmen, was eine „Sekte“ ist und was nicht? Die größeren Organisationen gegenüber den kleineren? Oder die älteren gegenüber den jüngeren Neubildungen? Das dürfte kaum ein geeignetes Kriterium sein – sonst wären auch die evangelischen Kirchen „Sekten“ gegenüber der katholischen Kirche oder das gesamte Christentum gegenüber dem Judentum. Außerdem gibt es religiöse oder religionsähnliche Neugründungen wie z. B. Scientology, die nicht aus einer Abspaltung hervorgegangen sind. Schon aus diesen Gründen ist Vorsicht bei der Bezeichnung „Sekte“ geboten.

Darüber hinaus schwingt beim Gebrauch des Wortes „Sekte“ heute noch etwas anderes mit: „Sekten“ – das sind diejenigen, die ihre Mitglieder schlecht behandeln. Damit richtet sich der Blick darauf, ob Gemeinschaften oder Anbieter für ihre Mitglieder nach innen oder nach außen zu Konflikten führen.

„Sekte“ bezeichnet also eine konfliktträchtige Gruppe.

Folgende Merkmale können auf eine solche Gruppe hinweisen:

  • absoluter Wahrheits- und Erlösungsanspruch, verbunden mit Schwarz-Weiß-Denken,
  • betonte Gemeinschaft nach innen und Abwehr oder gar ein Verbot von Außenkontakten,
  • Aufbau radikaler Gegenwelten, Bedrohungsszenarien und Endzeiterwartungen,
  • Personenkult um die Leiter*innen, die über jede Kritik erhaben sind,
  • Kontrolle vieler oder aller Lebensbereiche,
  • Verbreitung von passenden Verschwörungstheorien,
  • vollständige finanzielle, berufliche, familiäre usw. Abhängigkeit der Mitglieder von der Gemeinschaft und ihrer Leitung, so dass ein normales gesellschaftliches Leben nicht mehr möglich ist.

Diese Merkmale können unterschiedlich stark ausgeprägt sein, eine trennscharfe Abgrenzung zwischen „Sekte“ und „Nichtsekte“ ist immer nur graduell möglich. Auch verändern sich diese Merkmale: Man kann von „Versektung“ sprechen – wenn eine Gruppe immer mehr oder stärkere konfliktträchtige Merkmale zeigt – oder umgekehrt von „Entsektung“.

Sind die Kirchen dann nicht auch „Sekten“? Man darf sicherlich nicht vergessen, dass auch sie immer wieder solche Konflikte produziert haben, wenn beispielsweise das Evangelium als Moral missverstanden wurde. Moral hat immer etwas mit Macht zu tun. Der Soziologe Max Weber formulierte: Wer nach Ethik und Werten fragt, fragt auch nach Macht. Da sind Einflüsse dabei gewesen, die wir als Kirche vom Evangelium her hätten niemals haben dürfen.

Wenn aber Wahrheit und Erlösung nicht nur in der eigenen Gruppe, sondern auch außerhalb gesucht werden darf, können Gegenkräfte mobilisiert werden, die der Tendenz zu einer Versektung Widerstand leisten. Hierin unterscheiden sich Kirchen von "Sekten".

 

Eine Art "Checkliste"